Willkommen im Land der Dysthymie und Depression!

Schlagwort: Meinung

E-Learning

Zwar habe ich eine Weile keine Blogbeiträge geschrieben, aber ich habe trotzdem an diese Homepage gedacht. Daher gibt es nun eine neue Rubrik: E-Learning. Seit Anfang Oktober nehme ich an einer Weiterbildung teil, nach der ich mich „Digital Learning Developer“ schimpfen darf. Der Schwerpunkt liegt dabei beim Erstellen von Onlinekursen – also E-Learnings sowie den verschiedenen Tools und Programmen, mit denen Ideen umgesetzt werden können. Die Homepage dazu findet Ihr hier: www.heldenreise-lernwelten.de

Eine Idee setzte ich dabei nicht als Teil des Kurses um, sondern als ganz private „Mission“: ein E-Learning zum Thema „Toxic Positivity“, Bereich Mental Health (psychische Gesundheit).Toxic Positivity - E-Learning

Toxic Positivity – immer öfter stolpern wir im Alltag darüber. „Good vibes only“, „Du musst an deinem negativen Mindset arbeiten“ und blablabla. Wirklich: blablabla! Damit werden Opfer schnell zu Tätern, weil sie ja schließlich selbst schuld sind. Empathie? Null!
Beispiele: Depression? Tja, liegt an deinen falschen Glaubenssätzen, du musst doch nur positiv denken. Du hast Dein Kind verloren? Sieh doch mal das Positive darin: Du kannst Kinder bekommen! Arm ab? Oh, stelle dich doch nicht so an, du hast doch noch einen zweiten und damit lässt sich doch noch so viel schaffen.

Das ist Gift hoch tausend, was hier verbreitet wird! Selbst wenn teils ein wahrer Kern darin steckt, verwehren wir durch dieses Gift uns selbst und anderen Menschen „negative Gefühle“, die notwendig sind. Es gibt jedoch keine negativen Gefühle, alle haben ihre Berechtigung. Zudem hat jeder Mensch das Recht auf Trauer, auf Wut, auf sich schlecht fühlen. Und bei der Depression? Das ist eine Krankheit und einfach mal umdenken geht nicht! Diese Sprüche lassen nicht besser fühlen, sondern verschlimmern es noch. Und das hat nichts mit Optimismus zu tun…

Bevor ich hier alles verrate – schau doch einfach mal selbst unter E-Learning. Ich wünsche viel Spaß und viele Erkenntnisse (oder zumindest, dass Du Dir über einiges bewusst wirst, was für Dich hilfreich ist).

Keiner will mehr arbeiten

Oder, wenn nicht gejammert wird, dass keiner mehr arbeiten wolle, wird gejammert, die jungen Menschen würden nicht mehr arbeiten wollen. Doch stimmt das so pauschal? Und was hat Arbeit mit Burn-Out oder Depression zu tun? Meine nicht-arbeitgeberfreundliche Meinung zu „Keiner will mehr arbeiten“.

„…mehr Bock auf Arbeit“

Im Februar 2023 forderte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) Steffen Kampeter längere Arbeitszeiten und mehr Bock auf Arbeit. Im Mai 2023 erklärte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), in einem Interview, was im Grunde damit gemeint wäre: keine Arbeitszeitverkürzung, da dies auch rententechnisch nicht zu bewältigen wäre, sondern „Es geht um Lust auf mehr Arbeit.“ Außerdem meinte er: „Für manchen ist es auch schlicht nicht attraktiv, mehr zu arbeiten, weil die Einkommenssteuer das meiste auffrisst, was man mehr verdient.“

Viele wollen nicht mehr und mehr arbeiten!

Nun, mag sein. Aber die Gründe, die ich von den meisten Arbeitnehmern bisher hörte, weshalb sie nicht mehr arbeiten wollen, klingen ganz anders:

  • Die Anerkennung fehlt. Selbst wenn unbezahlte Überstunden abgeleistet werden, erfolgt keine Anerkennung. Im Gegenteil – danach wird immer noch mehr verlangt.
  • Mehr Arbeit wird auf die derzeitigen Mitarbeiter verteilt = bei Kündigungen oder anderen Gründen, weshalb ein Arbeitnehmer ausscheidet, wird auch diese Arbeit auf die derzeitigen Mitarbeiter verteilt. Jeder Einzelne hat immer mehr zu leisten.
  • Wenn endlich der Feierabend erreicht ist, sind viele viel zu kaputt, um freiwillig noch mehr Zeit investieren zu können.
  • Viele haben nunmal auch ein großes Interesse, private Beziehungen zu pflegen. Das geht nicht mit ausufernden Arbeitszeiten, permanenter Selbstoptimierung und wenn man sich irgendwann nur noch zu müde für alles fühlt.
  • Mehr Arbeit führt nicht zu unbefristeten Arbeitsverträgen.
  • Mehr Arbeit führt nicht zu Beförderungen. (Vitamin Beziehung und Lautsein bringt da schon weitaus mehr.)
  • Mehr Arbeit führt nicht zu einer besseren Bezahlung.

Die Liste kann ich so gerne weiterführen.

„Keiner will mehr arbeiten“ – die Quittung für all die leeren Versprechungen!

Als ich zur Schule ging, wurde mir versprochen, dass es mir gut ginge, wenn ich fleißig wäre. Dass ich eine feste, sichere Arbeitsstelle bekäme und und und. Die Wahrheit? Die Tätigkeitsbeschreibungen in den Arbeitsverträgen und meine Arbeitsalltag klafften weit auseinander. Ich hatte Arbeitgeber, denen ich wegen meines Gehalts regelmäßig hinterherrennen durfte, eine Arbeitgeberin schuldet mir bis heute noch knapp drei Gehälter, hinzu kamen Dinge wie ein befristeter Arbeitsvertrag nach dem anderen. Wäre es nach zahlreichen Betrieben gegangen, hätte ich X unbezahlte Praktika absolvieren können, mich gerne „ehrenamtlich“ engagieren können usw.
Weihnachts-, Urlaubs – oder sonstiges Extra-Geld? Bitte, wir haben doch nicht die 1980er! Wovon träumst du denn nachts?

Ich gehöre nicht zu den Millenials, Gen Y oder der Gen Z, die so oft als „faul“ beschimpft werden, sondern zu denen nach den Babyboomern, der „Generation X“. Kurz: zu denen, die bei der ganzen Diskussion ignoriert werden. Generation Pillenknick gehört da rein (also mein Jahrgang) – das sind so wenige, wen interessieren die denn schon?

Wir sind diejenigen, bei denen manche noch die alten Versprechen erfüllt bekamen, während andere bereits in der neuen Arbeitswelt unsanft erwachten. Ich habe Abitur und kenne die Schattenseiten. Menschen, die „nur“ den Hauptschulabschluss vorweisen konnten, landeten spätestens in den 2000ern schnell im Strudel, der sie von einer Zeitarbeitsfirma zur nächsten wirbelte. Nichts war mehr sicher, ist es auch heute nicht.

Für mich sind alle, die offen sagen, dass sie nicht (mehr) arbeiten wollen oder zumindest nicht unter diesen Bedingungen, einfach nur ehrlich und keineswegs faul.

„Keiner will mehr arbeiten“ – und Care-Arbeit zählt immer noch nichts

Es ist ja nett, wenn Arbeitgeberpräsidenten von sich geben, keiner wolle mehr arbeiten, und wiederholt mehr Arbeitszeit (und Lust) einfordern. Das zeigt auch etwas, das in unserer Leistungsgesellschaft vollkommen schief läuft: Care-Arbeit wird nicht als Arbeit angesehen. Sie zählt nichts, da ja weder etwas produziert wird noch eine Bezahlung, mindestens nach Mindestlohn, erfolgt. Scheinbar ist Care-Arbeit einfach nur irgendeine Freizeitbeschäftigung. Sie trägt weder dazu bei, dass das Brutto-Sozialprodukt, noch dass das Exportvolumen steigt.

Bei Pflegegrad 2 wird ein Hilfebedarf von 3 Stunden täglich eingeschätzt. Wäre es Arbeit, die ein Angehöriger hier verrichtet, dann würden bei 3 Stunden täglich, 7 Tage die Woche = 21 Stunden pro Woche x Mindestlohn 12 Euro = 252 Euro pro Woche herausspringen. Hochgerechnet auf den Monat ist das ein Midijob (seit 2023 bis 2000 Euro brutto), also gehen die Sozialversicherungsbeiträge ab.
Die sind aber lange nicht so hoch. Sie erklären nicht, weshalb ein pflegender Angehöriger (meistens ist es ja eine pflegende Angehörige…) 316 Euro abzugsfrei pro Monat erhält.

Aber das fehlende Geld wird doch mit gaaaanz viel Liebe und Anerkennung ausgeglichen, oder? Macht man doch gerne in seiner FREIZEIT.

Genauso wenig wie die Pflege Angehöriger als Arbeit gezählt wird, sieht es bei der Kindererziehung aus. Es gibt zu wenige Kindertagesstätten, hier stimme ich voll und ganz mit den Arbeitgeberpräsidenten überein. Doch was ist mit den Kindern, die in einer Kindertagesstätte waren und dann in die Schule kommen? Vor allem während der Ferienzeiten? Eltern stehen mit diesem Problem alleine da. Tja, außerdem ist Kinder kriegen und erziehen wohl noch so ein Hobby, das zulasten der Rente, der Arbeitgeber, der Produktion geht.

Wer ist denn „faul“?

Worüber ich ebenfalls bei meinen Recherchen stolperte: Die „Babyboomer“ beschweren sich, zumindest in allen möglichen Zeitungsartikeln, über die faulen Jungen, aber seltsamerweise wollen die meisten am liebsten früher in Rente trotz Abschläge. Laut agrarheute.de herrscht ein regelrechter Trend zum früheren Rentenbeginn.

Na, wie passt das denn zusammen? Die einen haben bereits ein früheres Renteneintrittsalter als wir alle danach jemals haben werden, und wollen am liebsten noch früher in Rente – aber die danach sind faul? Obwohl die danach vermutlich sowieso nicht mehr so eine Rente bekommen werden, egal, wie sehr sie sich anstrengen? Viele von uns, der Gen X, machen ja bereits Witze, dass wir niemals in Rente gehen können, da wir uns das sowieso nicht leisten können.

So oder so: Ich kann keinem jungen Menschen nachvollziehbar erklären, weshalb er sich ins Zeug legen soll für irgendeine Arbeitsstelle. Vor allem nicht, wenn es dann noch um irgendeine ach-so-verzweifelt-gesuchte Fachkräftemangelstelle in der Pflege, in der Erziehung, Bildung oder im sozialen Bereich geht. Es zahlt sich in mehrfacher Hinsicht nicht aus.

„Fachkräfte“: Bezahlung und Arbeitsbedingungen

Es zahlt sich für die angeblichen Fachkräfte nicht aus.
Weshalb „angebliche Fachkräfte“? Wenn es gesuchte Fachkräfte wären, dann müsste sich das in der Bezahlung und in den Arbeitsbedingungen widerspiegeln, oder? Macht es jedoch nicht.

Im März 2023 brachte das ZDF einen Beitrag: „Soziale Berufe an der Belastungsgrenze„. Interessant fand ich diesen Satz: „Über alle Arbeitsfelder der sozialen Arbeit hinweg arbeiten laut Studie mehr als ein Drittel (38,9 Prozent) der Befragten regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich.“ So viel zur unterstellten Faulheit und der Forderung nach Mehrarbeit.

Oh, studieren sollen die Kinder? Studiert bringt mehr? Erzieher*innen verdienen im Bereich Erziehung/Sozial noch vergleichweise gut.
„Andere soziale Berufe wie Sozialpädagogen oder -arbeiter erhalten im Schnitt ebenfalls niedrigere Löhne als Erzieher: für sie gibt es monatlich zwischen 2.300 Euro und 3.600 Euro.“ (Quelle: p-werk.de)
Natürlich darf man nicht vergessen, dass eine Teilzeitstelle weniger Bruttogehalt mit sich bringt, Erzieher also oft weniger Geld aufgrund der geringeren Stundenanzahl bekommen.

Verdi hat ebenfalls eine aufschlussreiche Analyse zum Nachlesen über die Belastungen im Sozial- und Erziehungsdienst: „Manche arbeiten unbezahlt länger, um den Menschen dennoch gerecht werden zu können. Auch, weil sie sich sonst für die Überstunden rechtfertigen müssen. Für mich ist die größte Belastung, dass man alleingelassen wird.“

„Keiner will mehr arbeiten“?

Darum nochmal: „Keiner will mehr arbeiten?“ Ohne diese ständige Mehrarbeit und dieses Engagement wäre doch längst alles wie ein Kartenhaus zusammengestürzt. Auch wenn diese Bereiche so wenig Anerkennung finden, arbeiten sich dort viele bis zur Erschöpfung kaputt.

Es kann ganz schlicht und einfach nicht mehr so weitergehen! Auf Dauer ist dieses System nicht mit noch mehr und noch mehr aufrechtzuerhalten.

Chaos in meinem Kopf

Wenn der Kopf vor lauter Gedanken zerspringt, da das Chaos in meinem Kopf zu groß ist, um es zu ordnen, fällt es mir schwer, etwas zu schreiben. Dieses Mal geht es nicht direkt um meine Depression, aber um etwas, das mich regelmäßig in Selbstzweifel sowie Zweifel an allem stürzt. Vermutlich ist auch das ein Puzzlestück, das zu meinen Abstürzen führt.

Vielleicht geht es auch anderen so…?

Was das Chaos in meinem Kopf anrichtet

In einem Zustand, wo das Chaos noch nicht zu sehr überhand nimmt, kann ich noch schreiben, malen und versuchen, es zumindest ansatzweise zu ordnen. Doch sobald es zunimmt, scheinen mich Kopf und Körper abzuschalten: Ich werd unglaublich müde.

Im Grunde ist das wie bei zu vielen Reizen, die von außen kommen – auch da werde ich wie abgeschaltet. Während neue Informationen jedoch bei der Reizüberflutung zum Teil gar nicht mehr aufgenommen werden, weil ich z. B. wie benebelt mitten in Gesprächen sitze, läuft die innere Überflutung anders ab:
Die Gedanken addieren sich mit all den anderen zu vielen riesigen Flutwellen, die in immer rascherer Folge ALLES zu diesem oder jenen Fetzen tragen, neu ordnen, sich neu auftürmen und und und. Schwer für mich, das zu beschreiben. Es ist nicht vergleichbar mit dem Gedankenkarussell, da es sich um viel mehr als nur einige Gedanken handelt. Oft kommen auch Informationsfetzen, Gelesenes usw. hinzu. Das müssen also nicht mal Probleme sein.

In diesen Momenten, wenn es überhand nimmt, hinterfrage ich alles: mich selbst, die „Welt“, die „Gesellschaft“, das „Leben“. Nichts ist sicher, nirgends kann ich mich festhalten. Schon gar nicht an mir selbst.

Was mir gar nicht hilft

Ja, diese Sprüche kenne ich bereits zu genüge: „Geh mal unter Leute!“ Der Ratschlag kommt ja bei allem als die Lösung für alles angewatschelt.
Manchmal meine ich, das können nur Leute bringen, die a) das nicht kennen, b) gar nicht sich einfühlen wollen und c) denen halt einfach sonst nix einfällt.

Eine Flucht ist hier einfach nicht möglich, allenfalls ein kurzes Betäuben. Doch dann kommt die bittere Rechnung: Zu all den bereits vorhandenen Gedanken werden noch mehr hinzuaddiert. Inklusive ein Wundern und Zweifeln an der Umgebung und allem. Die Diskrepanz zwischen dem Wunschdenken und der Selbstsicht vieler und dem, was ich sehe, wird mir dann noch bewusster – und oh ja, weil ich die sehe, forsche ich dann bei mir nach, wo das ebenso vorkommt. Ergebnis: noch mehr Selbstzweifel! Und noch mehr Flutwellen.

Hier eine kleine Auswahl, die an Fragen und Gedanken noch hinzu kommen:

  • Weshalb bezeichnen sich viele als „empathisch“ oder gar als Seelenmenschen, wenn sie das nur gegenüber sich selbst sind und von sich auf andere schließen? Mache ich das auch? Bestimmt! Wo? Wann? Warum?
  • Warum muten die Leute anderen Gewalt zu? Gegen andere Menschen, Tiere und somit auch gegen sich selbst? Wie oft führt ein „reiß dich zusammen“ zu Gewalt? Oder „sei mutig“?
  • Warum übergehen viele die Wünsche und Bedürfnisse anderer, bezeichnen sich selbst jedoch als „sozial“? Und dann wird über andere gehetzt, sonstwas Schlechtes gewünscht… Oder ist genau das in Wirklichkeit „sozial“ und „human“?
  • Ist jemand, der andere Leute niedermacht, anlügt, betrügt, übervorteilt, Steuern hinterzieht und und und wirklich „ehrlich“, „gerecht“ und ein „guter“ Mensch? Warum sind wir so blind gegenüber uns selbst?
  • Wieso meinen so viele, sie wüssten alles besser auch als die Experten, und sie hätten die Lösung für alles? Und sprechen allen, die sich nicht in ihr Weltbild einfügen, die Intelligenz, die Existenz oder das Existenzrecht ab? Sind Toleranz oder Akzeptanz nur Worthülsen?

Und die größten aller Fragen, für mich:

  • Weshalb muss alles 1 oder 0 sein? Entweder-oder? Richtig oder falsch? Selbst ein Computer kann aus Einsen und Nullen Graustufen erzeugen. Wieso darf scheinbar nichts einfach Dazwischen sein? Warum muss ich mich überhaupt für eine Seite entscheiden?
  • Gibt es so etwas wie eine positive Menschlichkeit? Und wieso werden Tiernamen als Schimpfworte benutzt, wenn wir Menschen doch all das anstellen?
  • Hat dieses Leben überhaupt einen Sinn? Ergibt es einen Sinn, irgendwann? Was ist, wenn sich viele den Sinn nur einbilden und es keinen gibt? Ändert das was?

Das Caos in meinem Kopf: Ticke ich wirklich anders?

Wenn ich doch mal mit anderen über dieses Chaos in meinem Kopf reden will, heißt es oft: „Du denkst zu viel!“ Bedeutet das im Umkehrschluss, dass andere zu wenig denken? 😉

Läuft mein Kopf mit Gedanken über, sind Unterhaltungen noch anstrengender als sie es ohnehin oft schon für mich sind. Ich fühle mich wie ein Alien, nicht normal, falsch.
Bücher sind bessere Freunde: Sie können wirklich ablenken, können neue Sichtweisen schenken oder oft auch ein Thema in irgendeiner Form etwas ordnen. Auch wenn mir meist dann noch x Ansätze einfallen und die fröhlich durcheinander purzeln.

Nach außen, menschlichen Kontakten kann man ja kaum aus dem Weg gehen, versuche ich dann erst Recht mich irgendwie anzupassen. Möglichst irgendwie ohne größere Pannen durch den Tag kommen, denn das in meinem Kopf kann ich schlecht erklären.

Ich treibe ein mehrfaches Versteckspiel: Ich verstecke mein Chaos im Kopf, meine Depression, wenn sie wieder kommt (auch sehr oft), meine Zweifel an allem und vor allem mich selbst, mein „wahres Ich“, wenn es das überhaupt gibt. Denn ich ticke falsch und passe nicht in diese Welt.
Es ist unglaublich anstrengend, zumal bei mir dann ja noch oft eine Art äußere Reizüberflutung hinzu kommt: zu laut, zu grell, da kratzt das verdammte Schildchen im T-Shirt, Gestik, Mimik, Tonfall, das Gesagte und und und. Auch das versuche ich zu verstecken.

Ticke ich wirklich anders? Bin ich ein Alien? Geht es auch andern so?

Gegendarstellung Reha-Entlassungsbericht

Da ich mich so über den Reha-Entlassungsbericht geärgert habe, verfasste ich eine Gegendarstellung, die ich an den Rentenversicherungsträger per Post schickte. Was ich mir davon verspreche? Nicht viel, aber immerhin habe ich meine Meinung mitgeteilt und deutlich gemacht, dass ich einfach nicht einverstanden bin.

Auszug aus meiner Gegendarstellung

„Sehr geehrte Damen und Herren,

da im Entlassungsbericht einige Angaben nicht stimmen, wende ich mich an Sie. Zumal behauptet wird, ich wäre mit dem Bericht bzw. der Einschätzung so einverstanden gewesen.
Dies ist nicht der Fall. Ich wurde nicht gefragt – mir wurde gleich am Anfang bei Reha-Start mitgeteilt, dass ich als voll arbeits- und erwerbsfähig ohne irgendwelche Einschränkungen entlassen werde und mich darauf schon mal einstellen sollte. Begründung: Da ich nebenberuflich ein Bachelorstudium an einer Universität mit einem Einserdurchschnitt absolviert habe, würden die Krankenkasse und die Rentenversicherung „ihnen aufs Dach steigen“, wenn sie mich anders entlassen würden.“

Start meines Briefes

Natürlich bleibt es nicht nur dabei. Ich erklärte, dass meine Depression eben nicht mittelgradig und teilremmitiert ist (bestätigt von den Fachleuten der DRK PIA, die mich eindeutig besser und länger kennen), so wie behauptet wird, und auf meine Dysthymie sowieso nicht eingegangen wurde. Auch wies ich in dem Brief darauf hin, dass ich mehrmals versprechen musste, mich nicht umzubringen.

Auf die Widersprüche im Reha-Bericht selbst wies ich hin, hob einiges hervor usw.

Doch wenn ich mir, wie schon erwähnt, so wenig davon verspreche, weshalb habe ich diesen Brief überhaupt zur Post gebracht?

Eine Gegendarstellung zum Reha-Bericht mit Hintergedanken

Zum Einen wollte ich meinen Frust loswerden. Oh ja, es tut nunmal gut, nicht immer alles einfach zu schlucken und sich dadurch noch hilfloser als ohnehin schon zu fühlen. Wenigstens habe ich etwas „gesagt“!

Ist ein Widerspruch möglich? Nein, das kann man auf dieser Seite des Sozialverbandes Deutschland nachlesen: „Weil es sich beim Entlassungsbericht nicht um einen Bescheid, also um einen Verwaltungsakt handelt.“

Mir geht es auch nicht um eine Erwerbsminderungsrente oder sonstiges, zumindest jetzt nicht. Da ich aber nicht weiß, was die Zukunft bringt, will ich zumindest klarstellen, dass der Bericht nicht in Ordnung ist. Meine Gegendarstellung ist in der Akte – falls ich später doch feststelle, dass ich eine (Teil-?)Erwerbsminderungsrente aus gesundheitlichen Gründen beantragen muss. Mit dem derzeitigen Entlassungsbericht habe ich sonst nur eine (heftige?) Hürde mehr.

Meine Gegendarstellung zum Reha-Entlassungsbericht ist also Frustabbau und Vorsorge zugleich.

Wobei ich immer noch die Frage im Hinterkopf, ob es eine Art „Gesund-Entlassungsquote“ bei Reha-Kliniken gibt. Mir fallen etliche Menschen ein, die als voll arbeits- und erwerbsfähig entlassen wurden, gerade in den Ü-50-Maßnahmen. Die Tätigkeit müsse halt nur die folgenden Bedigungen erfüllen: gehend-stehend-sitzend abwechselnd, keine Nacht- und Schichtarbeit, staubfrei, lärmfrei, kein Zeit- oder Leistungsdruck, null Stress, nicht mehr als 5 kg heben müssen, keine Überkopfarbeiten, möglichst nicht an Maschinen usw.

Da gibt’s ja massig Jobs zur Auswahl, gaaaanz bestimmt…

Entlassungsbericht der Reha

Der Entlassungsbericht der Reha kam und ich bin ein klein wenig angepi***. Wie glaubwürdig ist so ein Bericht, wenn das Urteil „voll arbeits- und erwerbsfähig“ bereits gleich am Anfang feststand? Außerdem sind da einige Punkte, über die ich mich sehr ärgere.

Widersprüche

Am Anfang steht, ich hätte mich während der Therapie intensiv und reflektiert mit meinen Belastungssituationen, Denk- und Handlungsmustern auseinandergesetzt. Einige Seiten später heißt es, ich würde bislang erst beginnend differenziert reflektieren. Ja, was nun?

Wie jeder Mensch habe ich meine blinden Punkte und ich bin froh, wenn ich darauf aufmerksam gemacht werde. Bei dieser Arbeit helfen mir die Mitarbeiter der DRK PIA, die ich seit März 2022 besuche. Da ich meine Fortschritte auf den verschiedenen Gebieten kenne, weiß ich, dass ich bereits über das Beginnen hinaus bin. Doch ich habe viele Denkfallen, sehr viele. Immer wieder stolpere ich daher über weitere Baustellen, bemerke, wo ich mir selbst gründlich schade. Ich habe nicht erst in der Reha begonnen, meine Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren. Die Zeit von sechs Wochen würde dafür ohnehin nicht ausreichen.

Eine weitere Ungereimtheit, bei der ich null Ahnung habe, wieso die im Bericht landete: Mehrmals wies ich darauf hin, dass ich aufgrund der Bedenken meiner Psychiaterin nach wie vor Sertralin nehme, da sie durch das Absetzen einen Rückfall befürchtet. Ich habe null Ahnung, weshalb da plötzlich im Bericht steht, ich nähme das Anidepressivum „bei gutem Profit“. Nö. Nur die Pharma-Industrie profitiert hier.

Trotz vorliegendem Lebenslauf

…und Erklärungen, sind bei dem im Bericht aufgeführten beruflichen Werdegang einige Fehler. Ich arbeitete z. B. nicht weiterhin in einem Fotostudio. Das war meine zweite Ausbildungsstelle, da die erste konkurs ging. Ich war seit 2006 selbstständig, also nicht einige Zeit arbeitslos und erst seit 2009 Freiberuflerin. 2009 begann ich bei einem Bildungsträger zusätzlich zu unterrichten, vorher bereits an der VHS Bingen sowie in Eigenregie.

Meine letzte Tätigkeit endete zudem, weil der Vertrag befristet war und die Maßnahme auslief. Selbst gesund wäre es nicht zu einer Vertragsverlängerung gekommen.

Ja, ich bin pinsig, aber das sind schon einige Unterschiede. Genauso, wie das Studium der Erziehungswissenschaft (nicht Erziehungswissenschaften!) für die Tätigkeit als pädagogische Fachkraft eine Voraussetzung war.
Naja. Gut, dieser letzte Punkt dürfte vermutlich auch für die Rentenversicherung unerheblich sein.

Kurioser finde ich da den nächsten Punkt.

Trotz Einschränkungen keine Einschränkung

Es gibt laut der Reha-Klinik keine Einschränkungen, höchstens eine bei der Nachtschicht.
Wieso keine Nachtschicht? Weil das so in diesem Katalog steht. Ob ich eine Eule oder eine Lerche bin, das spielt keine Rolle.

Laut dem Bericht bin ich leicht depressiv, dann doch mittelschwer… „Angegeben werden noch leichter sozialer Rückzug […]“ Leicht? Ich habe nach wie vor zig Tage hintereinander keinen sozialen Kontakt und vermisse ihn nicht einmal. Sobald ich es täglich mit Menschen zu tun habe, fühle ich mich kaputt. Ich brauche viele Auszeiten vom sozialen Miteinander. Ich weiß nicht, ob das unter „leicht“ fällt.Ebenso nicht nachvollziehbar: Laut ICF AT 50-Psych steht da sogar „[…]sowie volle Beeinträchtigung in den Bereichen soziale Beziehungen und Aktivitäten (2,58), Nähe in Beziehungen (3,4).“ Beim Abschlusskommentar wird nochmals erwähnt, „[…] worin sich ihre teils noch stark ausgeprägten Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe ausdrücken.“
Öhmmmm ja, passt schon… Wie das nächste.

Verdienste der PIA werden als die der Reha ausgegeben

In der PIA lernte ich sehr viel. Gerade durch die Gruppen und auch durch die Gespräche mit meiner Psychiaterin, meiner (nun leider ehemaligen, machte sich mit einer eigenen Praxis selbstständig) Therapeutin und meiner Sozialarbeiterin, Frau Schwenk, mit der ich ebenfalls spätestens alle 14 Tage meine Gespräche habe. Ich glaube, nur weil sie nicht Psychologie oder Medizin studiert hat, wird ihr Anteil im Bericht als „bei Bedarf“ eingestuft. Bei Bedarf könnte ich mehr Gespräche bekommen, so sieht das aus!

Doch hier kommen wir auch zu dem Punkt, der mich am allermeisten ärgert: Das, was bereits vorhanden war und gerade auch mit Frau Schwenk erarbeitet wurde, wird ganz plötzlich als Reha-„Verdienst“ ausgegeben.

  • Eine mögliche weitere berufliche Perspektive erarbeiteten wir – in der Reha wurde nichts in diese Richtung unternommen, sondern nur das bereits Vorhandene (und das auch noch fehlerhaft) für den Bericht übernommen.
  • „Verbesserung der sozialen Kompetenzen im Sinne eines bewussteren Wahrnehmens eigener Bedürfnisse.“ Ja, lernte ich in der PIA, vor allem dort in der Depressionsbewältigungsgruppe, die keine Falschetikettierung wie das in der Reha war.
  • „Erarbeitung von aktiven Depressionsbewältigungsstrategien […]“ Erhielt ich in der PIA, in der Reha erhoffte ich mir weitere Anregungen, was nicht erfüllt wurde.
  • „Verbesserung der Spannungsregulationsfähigkeit durch Erlernen eines Entspannungsverfahrens“ – häh? PMR kannte ich bereits vor meinem Aufenthalt in Alzey und spätestens dort hätte ich es kennengelernt.
  • „Ich bin eine Fachkraft“, damit ich mir verdeutliche, dass ich mittlerweile ein abgeschlossenes Studium habe und doch etwas erreicht habe – ebenfalls in der PIA entstanden.

Das ist wie wenn jemand die Leistung anderer als die eigene ausgibt und sich dafür feiern lässt. Sorry, aber ich kann so etwas absolut gar nicht ausstehen!

Und „Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, Sicherung der Leistungsfähigkeit“? Die wurde sowieso von Anfang an festgelegt.

Fazit zum Entlassungsbericht der Reha

Ich war ja ohnehin bereits von der Reha enttäuscht, da meine Ziele keine Rolle spielten. Dass diese nun teilweise im Entlassungsbericht vorkommen und das bereits vorher Erarbeitete als Reha-Verdienst ausgegeben wird, empfinde ich als Hohn.

Ist der Erfolgsdruck auf die Reha-Kliniken so immens, dass nicht nur einmalige Programmpunkte stattfinden (z. B. Stretching & Relaxing), sondern auch ordentlich mit fremden Federn geschmückt wird?

Bei mir hinterlässt der Entlassungsbericht der Reha einen sehr üblen Nachgeschmack. Sollte ich jemals noch einmal an einer beruflichen Reha teilnehmen, werde ich so gut wie überhaupt nichts erzählen, was bereits im Vorfeld an Positivem vorhanden ist. Soll sich die Reha-Klinik doch selbst etwas einfallen lassen, um igendwelche Kriterien zu erfüllen!

Entlassungsbericht der Reha - ich bin nur Humankapital, das momentan kostet


Antidepressiva – ja oder nein?

Immer wieder taucht diese Diskussion auf: Soll man bei Depressionen Antidepressiva nehmen? Bringt das was? Schaden Antidepressiva eher? Was ist mit den Nebenwirkungen oder einer möglichen Abhängigkeit? Verändern sie die Persönlichkeit? Antidepressiva – ja oder nein?

Wie soll ich mich entscheiden?

Viele Fragen bei Antidepressiva

Auf der Apotheken-Umschau werden diese Fragen kurz beantwortet:
Bei leichten Depressionen wurde keine Verbesserung festgestellt. Für mich ist das ein guter Grund, bei einer leichten Depression darauf zu verzichten, und erst ab mittelschweren mir überhaupt diese Frage zu stellen.

Kritisch sehe ich den Punkt, dass die Medikamente erst einmal sehr lange genommen werden müssen, bis sie wirken – wenn sie wirken. Meist dauert es drei bis vier Wochen, bis auch der / die behandelnde Psychiater*in bereit ist, ein anderes bei Nichtwirkung auszuprobieren. Obwohl doch bessere Erfolge schon nach einem Wechsel nach zwei Wochen festgestellt wurden (siehe hier).
Die Nebenwirkungen dagegen kommen rasant. Ich „testete“ zwei der sogeannten „Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer“ (SSRI), die unter Anderem für mehr Antrieb sorgen sollten. Jeder Mensch reagiert anders auf diese Medikamente, daher gibt es kein „das Heilmittel für alle“.

Kritisch: Eine Nebenwirkung, der gesteigerte Antrieb, kann gerade in der Anfangszeit sogar für eine erhöhte Suizidrate sorgen!
Daher finde ich es verantwortungslos, nachdem ich nun mehr weiß, wenn Menschen ohne weitere Aufklärung einfach so mal einen SSRI verschrieben bekommen und dann nach Hause geschickt werden. Mehr Nachsorge, mehr Information, bitte! Am besten ist es vermutlich, wenn der/ die Betroffene in einer (Tages-)Klinik ist oder wenigstens einen professionellen Notfallkontakt hat, der auch mitten in der Nacht oder an den Wochenenden da ist.

Antidepressiva machen nicht abhängig?

Antidepressiva machen nicht abhängig, sollten jedoch „ausgeschlichen“ werden. Heißt: nach und nach die Dosis verringern. Warum? Weil sonst Wirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Rückfälle etc. auftreten können.

Ich bin Laie. Ich kann den Unterschied zwischen dem und einer Abhängigkeit nicht erklären, zumal ich auch Beiträge von Betroffenen las, die für mich nach Entzugserscheinungen klangen, und die oft mit „darum nehme ich XXX wieder“ endeten.
Mir fällt nur der Unterschied ein, dass bei einer Sucht gewöhnlich die Dosis immer weiter gesteigert werden muss, damit man etwas davon merkt. Das ist bei einem Antidepressivum nicht der Fall. (Wenn man überhaupt etwas davon merkt.)

Verändern Antidepressiva die Persönlichkeit?

Das ist mir weder bei mir noch bei anderen aufgefallen. Antidepressiva berauschen nicht und lösen kein „muss ich unbedingt haben“ aus.

Vielleicht kann es jedoch durch die Nebenwirkungen zu Veränderungen des Verhaltens kommen. Plötzliche (für die Außenwelt) Suizidhandlungen oder Selbstverletzungen durch den Antrieb wirken befremdlich, ein Libidoverlust bei einem Partner / einer Partnerin kann viel ausmachen…
Und wie schnell sind wir Menschen dann dabei, von einer Sache auf alles zu schließen?

Meine Erfahrungen

Wie bereits erwähnt wirken die Antidepressiva bei jedem unterschiedlich, daher ist meine Erfahrung nur MEINE Erfahrung!

Das erste Antidepressivum, ein SSRI namens „Citalopram“, verschrieb mir meine Hausärztin. Wirkung bei mir, bereits nach der ersten Einnahme: gnadenlose Müdigkeit. Ich hätte schwören können, dass ich ein Schlafmittel genommen habe, denn nach einer halben Stunde ging nichts mehr. Diese Wirkung blieb, daher nahm ich nach einigen Tagen dieses Medikament nur noch vorm Schlafengehen.
Laut meiner Hausärztin war das aber Blödsinn, denn Citalopram sollte den Antrieb steigern. Die Müdigkeit, das wäre von der Depression. Und die andere Nebenwirkungen, zum Beispiel der trockene Mund oder das Problem, dass ich nicht mehr kommen konnte, die interessierten eh nicht. Depressive brauchen wohl keine kleine Freuden…? Oder nur depressive Frauen keine?
Irgendwann schlich ich einfach Citalopram aus, denn mir half es kein Bisschen, aber die Nebenwirkungen störten mich gewaltig.

In Alzey bekam ich dann Sertralin, ebenfalls ein SSRI. Hier bemerkte und bemerke ich (aktuell nehme ich noch Sertralin) nur eine Nebenwirkung: verminderte Libido und wenn ich dann mal Lust habe, brauche ich viel länger, um zu kommen. Meist will ich aber eh nicht. Der Mund ist zwar ebenfalls trockener, aber nicht so gravierend wie bei Citalopram.
Positive Wirkungen? Die bezweifele ich.

Mein Fazit – für mich

Mir halfen und helfen die Therapien und Gruppengespräche eindeutig, mir half es, aus dem Alltag auszusteigen (Klinik) oder zu Hause zu sein… Ruhe zu haben.
Momentan nehme ich immer noch 150mg Sertralin pro Tag, weil meine Psychiaterin keinen Rückfall riskieren will, der durch das Ausschleichen kommen könnte. Und das, obwohl ich keine Verbesserung durch das Medikament feststellen konnte.

Ich weiß nicht, ob ich noch ein drittes Medikament ausprobieren würde.

Reha-Start

Heute startete meine Reha in der gleichen Klinik wie zuletzt, als ich aufgrund von Corona die Reha abbrechen musste. Die Anreise war jedoch eine andere: Beim letzten Mal fuhren mich mein Papa und meine Stiefmama, dieses Mal nahm ich die Bahn. Meine ersten Eindrücke.

Holpriger Reha-Start dank Bahn

Mit dem Bus zum Bahnhof in Bad Kreuznach – einwandfrei geklappt. Der Busfahrer wollte jedoch, dass ich ein Ticket bis zum Bahnhof kaufte. Der Reisekostengutschein von der Deutschen Bahn wäre nicht gültig. Auf die Schnelle habe ich noch keine Info darüber gefunden, ob das stimmt (will ich ja wegen meiner Rückreise wissen) oder ob bei diesem Ticket auch die Busfahrt inklusive ist, so wie es bei einem Bahnticket z. B. von Mainz nach Bad Kreuznach ist.

Aber das war das kleinere Übel. Es war unheimlich kalt heute Morgen – und der Zug von Bad Kreuznach nach Hochspeyer hatte Verspätung. Der Anschlusszug fuhr mir direkt vor der Nase weg, der nächste Zug hatte laut Ansage und Anzeige erst Verspätung, dann fiel er komplett aus. Immerhin klappte dann die alternative Alternative und ich landete in Neustadt an der Weinstraße. Ab jetzt klappte es dann: Umstieg in Neustadt, Umstieg in Winden, Ankunft in Bad Bergzabern. Dort holte mich ein freundlicher Mitarbeiter der Klinik mit einem Buschen ab.

Ankunft in der Klinik

Beim ersten Anlauf war ich überwältigt von der Masse an Informationen. Dieses Mal war es angenehm, bereits einiges zu wissen. Ich kenne die Anordnung der Gebäude, einige Namen, einige Abläufe… Puh, eine Erleichterung für mein schnell überlastetes Gehirn.

Die Celenus Parkklinik liegt etwas außerhalb von Bad Bergzabern, zu Fuß ist der Ort jedoch relativ schnell zu erreichen. Genauso wie der Wald, der direkt vor der Haustür ist. Nun ja, und hier herrscht ein Funkloch. Das W-LAN der Klinik, für das man einen Voucher kaufen muss, ist sehr langsam. Aber so lange ich hier an der Homepage weiterarbeiten kann, ist mir das egal. Dann sitze ich halt im Gruppenraum, tippe, während andere fernsehen.

Der Empfang war sehr freundlich, die Co-Therapeutinnen (so werden die Schwestern hier genannt) humorvoll, meine Therapeutin und Ärztin vom letzten Mal habe ich wieder… Sehr gut. Die erkannten mich sogar wieder!

Einen Unterschied gibt es gegenüber dem letzten Mal, außer dass wir uns hier jetzt maskenfrei bewegen können: In einigen Fluren liegen Stromkabel. Mein Chauffeur zur Klinik erzählte mir, dass es vor einigen Wochen einen Brand gab. Eine Meldung darüber im Presseportal der Polizei Rheinland-Pfalz: Brand in Klinikgebäude

Die Zimmer hier sind sehr schön. Und das Mittagsessen schmeckte richtig gut: Waldpilzcremesuppe, dann Reis mit Gemüse, schärfer gewürzt. Zum Nachtisch gab es einen gefüllten Kreppel. Nee, keinen Krapfen oder Berliner, ich futtere Kreppel! 😉

Und nun verabschiede ich mich, denn morgen startet mein Reha-Programm richtig. Ein Glück – die ganzen Einführungsveranstaltungen muss ich nicht mehr durchziehen, nur einen Teil.

Früher war alles…

Früher war alles angeblich besser. War es das wirklich? Wie sahen denn der Zusammenhalt aus, die gegenseitige Hilfe, der gegenseitige Respekt usw.?

Früher hielten alle zusammen

Ich weiß nicht, von welchem „früher“ die Rede ist, oder aus wessen Sicht.
Aus meiner Sicht war es bei meinem Früher, als ich in einem Dorf aufwuchs, nicht immer besser. Mein „Baujahr“: 1975.

Richtig, wir bemalten noch die Straße mit Kreide und es kam keine Polizei. Oh ja, wir spielten viel draußen.
Hier sehe ich klare Vorteile gegenüber den Spätergeborenen, die vieles nicht mehr dürfen und es gar nicht kennenlernen, dass draußen überhaupt gespielt werden darf. Ich bin mir auch sicher, dass die Erwachsenen früher von unserem Lärm genauso genervt waren. Vieles wurde mit „Es sind halt Kinder.“ und einem Achselzucken erledigt.

Andererseits lernten bereits wir, dass wir nicht mit Fremden sprechen sollen. „Nimm keine Süßigkeiten von Fremden an!“

Wir lernten, dass Erwachsene Recht haben. Das galt scheinbar auch bei der Grundschullehrerin, die ich in der ersten Klasse hatte, und die ohrfeigte oder den Hintern versohlte. Allgemein erhielten wir zwar nicht die Prügel, die unsere Eltern ertragen mussten, aber dass gar nicht geschlagen wurde? Eher eine Ausnahmeerscheinung.

Zusammenhalt? Bei der Gerüchteküche gab es den.
Eines der Gerüchte im Dorf lautete: „Die ist von der Schule geflogen.“ Seltsam, dass weder meine Eltern, ich oder meine Schule das wussten. Mein Bruder war plötzlich angeblich ein Drogenhändler. Das mag zwar für die Tratschtanten und -onkel amüsant sein, aber in manchen Fällen geht es bereits in Rufmord über und kann den betreffenden Person schaden.

Der Zusammenhalt bestand selbstverständlich gegen alle Fremde, gegen alle, die ausscheren wollten oder anders waren. Neid begünstigte ebenso das Zusammenhalten.
Damit es immer genug Neuigkeiten gab oder gleich klar war, wer hier nicht (mehr) dazugehörte, dafür sorgten die Fenstergucker. Gehe durchs Dorf und beobachte einfach nur die wackelnden Vorhänge. In manchen Dörfern scheint es immer noch so zu sein.

Früher war alles besser – als Frau?

„Wenn der besoffen ist, grabscht er die jungen Mädels an. Vollkommen normal.“
„Stell dich doch nicht so an. Dummer Sprüche sind normal.“
„Wenn die so rumläuft, dann muss sie sich nicht wundern, wenn sie irgendwann vergewaltigt wird.“

Und so weiter… Mein Früher definierte vieles noch als normal, was heute glücklicherweise die Ausnahme ist. Als Teenager und Jugendliche erlebte ich es sehr oft, dass sich irgendwelche Typen im dicht gedrängten Bus an mir rieben. Eklig! Ab und an rutschte mir, natürlich ganz aus Versehen, der Ellenbogen aus. Bei wem hätte ich mich denn auch beschweren können? Außerdem war es mir peinlich. Mir! Dabei lief ich nicht einmal mit einem Minirock herum.

Ein Glück, in meinem Früher wurde mir nicht dir höhere Schulbildung oder eine Ausbildung verwehrt, weil ich „nur ein Mädchen“ bin. Doch in der Oberstufe lernte ich ein Mädchen kennen, das tatsächlich diesen Kampf noch ausfechten musste. Ich brauche auch keinen Mann, der mir erlaubt, dass ich arbeiten gehen darf. 1977 wurde das Gesetz geändert.

Bei all dem Fortschritt der 1970er und 1980er sollten gerade wir Frauen uns klar machen, dass die Gleichberechtigung, die ständigen „selbstverständlichen“ Belästigungen, Schuldzuweisungen etc. in diesen Jahren erst allmählich überdacht wurden.

Was wir heute kennen, ist also noch gar nicht so lange Alltag.
Bei diesem Punkt fällt mein Urteil also so aus: Heute ist es als Frau besser!

Früher wären wir psychisch Erkrankten „Irre“ gewesen

…und würden vielleicht längst nicht mehr leben, weil uns eine der Behandlungsmethoden umgebracht hätte oder, in der NS-Zeit, wir vergast worden wären.

Eine der Behandlungsmethoden war die Lobotomie, in den USA führte Walter Freeman etliche durch, über den Geo kompakt schrieb. Obwohl nicht klar war, wie genau das Gehirn funktionierte, wurde daran herum“operiert“. Kaum vorstellbar, oder? Das war jedoch nicht die einzige kuriose Behandlungsmethode.

Im Phillipshospital in Riedstadt, Kreis Groß-Gerau, ist ein Psychiatrie-Museum und der Artikel in der Welt verspricht zumindest einen interessanten Ausflug. Seit 1535 kümmert man sich dort um psychisch erkrankte Menschen, dementsprechend umfangreich sind die Unterlagen und Instrumente.
Während der NS-Zeit starben viele der Patienten in der Tötungsanstalt Hadamar.

Auch das Landeskrankenhaus Alzey, in dem ich Ende 2021 bis Januar 2022 behandelt wurde, beschäftigt sich mit seiner NS-Vergangenheit. Auf dem Gelände ist ein Mahnmal mit zahlreichen Namen. Der Mord an 453 Menschen, 229 Zwangssterilisationen und die Deportation vieler weiterer alleine dort verdeutlicht, dass in diesem Früher nichts besser war.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. spricht von mindestens 250.000 Ermordeten und von bis zu 400.000 Zwangssterilisationen.

Mit meiner Depression, die immer wieder auch mit schweren Episoden daherkommt, wäre ich vielleicht kein Euthanasieopfer geworden, weil ich ja immer noch etwas „Kontrolle“ habe. Trotzdem…

Im mittelalterlichen Europa wäre ich vermutlich auf dem Scheiterhaufen gelandet, da die „Wahnsinnigen“ gerne als von Teufel und Dämonen besessene Menschen eingestuft wurden. Diese wurden verbrannt, bevor sie andere anstecken konnten.
Oder der Dämon überspringen kann? Aber ist es dem nicht zu heiß auf einem Scheiterhaufen? Springt er dann nicht einfach zu einem der Umherstehenden? Oder sind Dämonen hitzebeständig? Dann verstehe ich jedoch nicht den Sinn einer Verbrennung. Ich habe null Ahnung von sowas.

So oder so: Das Heute gewinnt einmal mehr.

Heute ist besser als früher

„Früher war alles besser“, das sagten sogar die Leute über das Dritte Reich und den Krieg. Oder über die Nachkriegszeit. Heute jammern viele immer noch mit den gleichen Worten.

Was alles heute zum Beispiel besser ist:

  • Kalter Krieg? Geteiltes Deutschland? Erinnert sich noch jemand?
  • Die Leute sind weniger angriffslustig, zumindest körperlich. Wie oft gab es Schlägereien? Jährlich findet in Bad Kreuznach der Jahrmarkt statt. Ich habe den Eindruck, dass auch dort die Schlägereien nachgelassen haben.
  • Die Statistik der Mordopfer in Deutschland ist gesunken. Allgemein sinkt die Kriminalität. Eine der Studien dazu und des falschen Gefühls betreute Prof. Dr. Thomas Feltes, Professor für Kriminologie.
  • Als Vegetarierin weiß ich, dass heute ein Gastronomiebesuch nicht mehr in Salat oder Pommes endet, weil das Gemüse bis zur Unkenntlichkeit zerkocht wurde.
  • Verlaufen? Autopanne? Überhaupt Hilfe holen? Ist heute einfacher dank mobiler Telefone, GPS etc. Klar, außer da ist ein Funkloch. Die Telefonzellen waren früher nicht überall – und wie oft fehlten im Notfall die Groschen dafür oder das Telefon war defekt?
  • Die Aufmerksamkeit, was eine sexuelle Belästigung oder was Diskriminierung ist. Das war doch früher sowas von „normal“ und die Betroffenen blieben alleine zurück mit ihren Sorgen und negativen Erfahrungen. Hier ist noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg.
  • Auf einem viel zu langsamen Weg: Klimaschutz. Hier muss ich jedoch auch an das Waldsterben in den 1980ern denken oder an die Berichte über den tödlichen Smog 1952 in London.
  • der medizinische Fortschritt
  • Viele Seuchen sind mittlerweile heilbar.
  • all die wissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel über das Gehirn
  • Per Internet haben wir mittlerweile Zugang zu einem immensen Wissen.
  • Es ist leichter mit weit entfernten Personen in Kontakt zu bleiben.
  • und und und

…zum Schluss

Wieso wird da ständig verklärt? Blenden wir Menschen so sehr die negativen Erfahrungen aus? Oder sind wir so wenig anpassungsfähig?
Früher war alles anders stimmt ja wohl mehr!

Und was das Beklagen über Internet, Smartphones & co betrifft:
Wie viele Volldeppen bauten damals einen Unfall weil sie mitten während der Fahrt eine Kassette suchten? Wie viele Idioten hätten auch früher genügend Möglichkeiten gefunden, sich wichtig zu tun und ihre Zeit mit sonstwas zu verbringen?

Es ist unsere Entscheidung, wie wir was nutzen und wie wir damit umgehen. Früher und auch heute müssen wir dafür selbst die Verantwortung tragen, das hat sich nicht geändert.

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