Willkommen im Land der Dysthymie und Depression!

Schlagwort: Leben

Chaos in meinem Kopf

Wenn der Kopf vor lauter Gedanken zerspringt, da das Chaos in meinem Kopf zu groß ist, um es zu ordnen, fällt es mir schwer, etwas zu schreiben. Dieses Mal geht es nicht direkt um meine Depression, aber um etwas, das mich regelmäßig in Selbstzweifel sowie Zweifel an allem stürzt. Vermutlich ist auch das ein Puzzlestück, das zu meinen Abstürzen führt.

Vielleicht geht es auch anderen so…?

Was das Chaos in meinem Kopf anrichtet

In einem Zustand, wo das Chaos noch nicht zu sehr überhand nimmt, kann ich noch schreiben, malen und versuchen, es zumindest ansatzweise zu ordnen. Doch sobald es zunimmt, scheinen mich Kopf und Körper abzuschalten: Ich werd unglaublich müde.

Im Grunde ist das wie bei zu vielen Reizen, die von außen kommen – auch da werde ich wie abgeschaltet. Während neue Informationen jedoch bei der Reizüberflutung zum Teil gar nicht mehr aufgenommen werden, weil ich z. B. wie benebelt mitten in Gesprächen sitze, läuft die innere Überflutung anders ab:
Die Gedanken addieren sich mit all den anderen zu vielen riesigen Flutwellen, die in immer rascherer Folge ALLES zu diesem oder jenen Fetzen tragen, neu ordnen, sich neu auftürmen und und und. Schwer für mich, das zu beschreiben. Es ist nicht vergleichbar mit dem Gedankenkarussell, da es sich um viel mehr als nur einige Gedanken handelt. Oft kommen auch Informationsfetzen, Gelesenes usw. hinzu. Das müssen also nicht mal Probleme sein.

In diesen Momenten, wenn es überhand nimmt, hinterfrage ich alles: mich selbst, die „Welt“, die „Gesellschaft“, das „Leben“. Nichts ist sicher, nirgends kann ich mich festhalten. Schon gar nicht an mir selbst.

Was mir gar nicht hilft

Ja, diese Sprüche kenne ich bereits zu genüge: „Geh mal unter Leute!“ Der Ratschlag kommt ja bei allem als die Lösung für alles angewatschelt.
Manchmal meine ich, das können nur Leute bringen, die a) das nicht kennen, b) gar nicht sich einfühlen wollen und c) denen halt einfach sonst nix einfällt.

Eine Flucht ist hier einfach nicht möglich, allenfalls ein kurzes Betäuben. Doch dann kommt die bittere Rechnung: Zu all den bereits vorhandenen Gedanken werden noch mehr hinzuaddiert. Inklusive ein Wundern und Zweifeln an der Umgebung und allem. Die Diskrepanz zwischen dem Wunschdenken und der Selbstsicht vieler und dem, was ich sehe, wird mir dann noch bewusster – und oh ja, weil ich die sehe, forsche ich dann bei mir nach, wo das ebenso vorkommt. Ergebnis: noch mehr Selbstzweifel! Und noch mehr Flutwellen.

Hier eine kleine Auswahl, die an Fragen und Gedanken noch hinzu kommen:

  • Weshalb bezeichnen sich viele als „empathisch“ oder gar als Seelenmenschen, wenn sie das nur gegenüber sich selbst sind und von sich auf andere schließen? Mache ich das auch? Bestimmt! Wo? Wann? Warum?
  • Warum muten die Leute anderen Gewalt zu? Gegen andere Menschen, Tiere und somit auch gegen sich selbst? Wie oft führt ein „reiß dich zusammen“ zu Gewalt? Oder „sei mutig“?
  • Warum übergehen viele die Wünsche und Bedürfnisse anderer, bezeichnen sich selbst jedoch als „sozial“? Und dann wird über andere gehetzt, sonstwas Schlechtes gewünscht… Oder ist genau das in Wirklichkeit „sozial“ und „human“?
  • Ist jemand, der andere Leute niedermacht, anlügt, betrügt, übervorteilt, Steuern hinterzieht und und und wirklich „ehrlich“, „gerecht“ und ein „guter“ Mensch? Warum sind wir so blind gegenüber uns selbst?
  • Wieso meinen so viele, sie wüssten alles besser auch als die Experten, und sie hätten die Lösung für alles? Und sprechen allen, die sich nicht in ihr Weltbild einfügen, die Intelligenz, die Existenz oder das Existenzrecht ab? Sind Toleranz oder Akzeptanz nur Worthülsen?

Und die größten aller Fragen, für mich:

  • Weshalb muss alles 1 oder 0 sein? Entweder-oder? Richtig oder falsch? Selbst ein Computer kann aus Einsen und Nullen Graustufen erzeugen. Wieso darf scheinbar nichts einfach Dazwischen sein? Warum muss ich mich überhaupt für eine Seite entscheiden?
  • Gibt es so etwas wie eine positive Menschlichkeit? Und wieso werden Tiernamen als Schimpfworte benutzt, wenn wir Menschen doch all das anstellen?
  • Hat dieses Leben überhaupt einen Sinn? Ergibt es einen Sinn, irgendwann? Was ist, wenn sich viele den Sinn nur einbilden und es keinen gibt? Ändert das was?

Das Caos in meinem Kopf: Ticke ich wirklich anders?

Wenn ich doch mal mit anderen über dieses Chaos in meinem Kopf reden will, heißt es oft: „Du denkst zu viel!“ Bedeutet das im Umkehrschluss, dass andere zu wenig denken? 😉

Läuft mein Kopf mit Gedanken über, sind Unterhaltungen noch anstrengender als sie es ohnehin oft schon für mich sind. Ich fühle mich wie ein Alien, nicht normal, falsch.
Bücher sind bessere Freunde: Sie können wirklich ablenken, können neue Sichtweisen schenken oder oft auch ein Thema in irgendeiner Form etwas ordnen. Auch wenn mir meist dann noch x Ansätze einfallen und die fröhlich durcheinander purzeln.

Nach außen, menschlichen Kontakten kann man ja kaum aus dem Weg gehen, versuche ich dann erst Recht mich irgendwie anzupassen. Möglichst irgendwie ohne größere Pannen durch den Tag kommen, denn das in meinem Kopf kann ich schlecht erklären.

Ich treibe ein mehrfaches Versteckspiel: Ich verstecke mein Chaos im Kopf, meine Depression, wenn sie wieder kommt (auch sehr oft), meine Zweifel an allem und vor allem mich selbst, mein „wahres Ich“, wenn es das überhaupt gibt. Denn ich ticke falsch und passe nicht in diese Welt.
Es ist unglaublich anstrengend, zumal bei mir dann ja noch oft eine Art äußere Reizüberflutung hinzu kommt: zu laut, zu grell, da kratzt das verdammte Schildchen im T-Shirt, Gestik, Mimik, Tonfall, das Gesagte und und und. Auch das versuche ich zu verstecken.

Ticke ich wirklich anders? Bin ich ein Alien? Geht es auch andern so?

Ausdruckszentrierte Ergo

Als ich vor einem halben Jahr den ersten Reha-Anlauf nahm, der „dank“ Corona abgebrochen wurde, wunderte ich mich über diese Ergoform. Ausdruckszentrierte Ergo, was sollte das sein? Was macht man da? Bei der Einführung klang es immer noch mysteriös, aber so interessant, dass ich daran teilnehmen wollte. Auch dieses Mal nehme ich daran teil.
Zwei Stunden mit dieser kreativen Ergomethode habe ich bereits hinter mir. Daher erzähle ich etwas von meiner Erfahrung.

Was ist die ausdruckszentrierte Methode?

„Den subjektbezogenen, ausdruckszentrierten Übungen liegen tiefenpsychologisch orientierte Konzepte zu Grunde.“ erklärt das pdf des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten. Mit Hilfe von Farben, Formen und Symbolen sollen Bilder entstehen, die besser als Worte die eigenen Gedanken und das eigene Empfinden zu einem Thema ausdrücken. Die Bilder sind sehr individuell und zeigen manches Mal auch, was einem selbst noch unklar oder nur vage bewusst war.

Jede Stunde gibt die Ergotherapeutin oder der Ergotherapeut ein Thema vor, danach malen alle in der Gruppe etwa 20 Minuten mit Buntstiften, Öl- oder Pastellkreiden auf DIN A3-Bögen das, was ihnen einfällt. Natürlich könnten es auch andere Farben sein usw. Nach der Malphase zeigen sich alle ihre Bilder.

Die eine Therapeutin ließ erst alle anderen mitteilen, was sie mit dem Bild assoziieren, danach die malende Person erzählen, wenn diese wollte.
Die andere Therapeutin ließ die Malenden erzählen und fragte sie, wo sie auf dem Bild wären. Wie es sich dort anfühle. Danach, wie es sich woanders anfühlen würde, wen die Position im Bild eine andere wäre. Sie fragte, was es nicht geben dürfe (Thema war der Wohlfühlort). Nachdem alle ihre Bilder vorgestellt hatten, wünschten wir uns noch gegenseitig etwas („gaben etwas“) aus unseren Bildern bzw. „nahmen“ auch etwas aus anderen Bildern in Gedanken.

Stunde 1 der ausdruckszentrierten Ergo

Das Thema der ersten Stunde war „Mein Lebensgarten“, wobei es um den Wunschlebensgarten ging. Was darf vom bisherigen Garten bleiben und was soll weg? Was darf hinzukommen? Wie soll der Lebensgarten aussehen?

Thema und Bild der ersten Stunde ausdruckszentrierte Reha: mein Lebensgarten

Die einzelnen Gärten sahen sehr unterschiedlich aus: Die einen Bilder zeigten Bäume, andere Blumen oder beides, manche hatten Wiesen, Seen, Weinreben, Häuschen… Manche Bilder waren voll, andere – so wie meines – sogar eher leer.

Da ich an einem Neuanfang stehe, will ich Platz lassen für Dinge, die kommen können. In Ruhe will ich mir einen Überblick verschaffen, gleichzeitig jedoch nicht komplett alles aus meinem Leben werfen. Dafür steht der Baum, der Jahre zum Wachsen benötigte. Das Wasser des Sees steht für das Fließen, für Gefühle, Frische, Entspannung und einfach auch mal auf der Wiese unterm Baum liegen und auf den See schauen. Also einen Halt oder Entspannungspunkt einbauen. Die Büsche im Hintergrund halten manch neugierigen Blick ab, und bitte auch Menschen und Dinge, die ich nicht mehr will.

Stunde 2 der ausdruckszentrierten Ergo

Dieses Mal lautete das Thema „Wohlfühlort“. Natürlich ging mir sofort mein Bett durch den Kopf… Wo fühle ich mich wohl? Wie sieht es dort aus? Was darf sein und was nicht?

Ausdruckszentrierte Ergo, Stunde 2: mein Wohlfühlort

Bett, Tischchen daneben, auf dem Laptop, Tasse und Bücher Platz finden, außerdem sogt sich ein freundlicher Roboter daraum, dass mir weder Tee noch Kaffee ausgehen, erledigt die Hausarbeit usw. Eine Katze dürfte noch da sein, ein Fenster (hab ich irgendwie vergessen), aber kein anderer Mensch. Also für mich klingt das absolut ideal.

Als ich die anderen Bilder sah, wurde mir bewusst, wie klein meine Welt ist oder geworden ist durch meine Depression und das Rückzugsbedürfnis. Natürlich konnten die anderen Teilnehmenden nachvollziehen, dass ein Bett ein absoluter Wohlfühlort ist, manche wollten auch gerne so einen Roboter, aber wohl kaum einer dieses Eingeschänkte. Ich ja dann auch nicht mehr… Ich klaue mir das Wohnmobil von dem anderen Teilnehmer und bringe mein Bett samt Roboter dort unter. Vielleicht kann der Roboter sogar fahren? 😉

Fazit (bis jetzt) zur ausdruckszentrierten Ergo

Es ist also sehr interessant, was die ausdruckszentrierte Ergo zutage fördert oder auch bewusst macht.

Früher wollte ich doch die Welt sehen, weshalb ist nun nur noch einigeln angesagt? Kann ich das kombinieren? So irgendwie mitteloffen-eingeigelt sein?
In meinem Garten wäre zumindest genügend Platz dafür. Ich muss selbst für die notwendige Ruhe und das Fließen sorgen. Mal schauen wie.

Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, was die nächsten Stunden verdeutlichen werden. Mich bringt die ausdruckszentrierte Ergo zum Nach- und Überdenken, was ich klasse finde.

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