Willkommen im Land der Dysthymie und Depression!

Schlagwort: Ausdruck

Die letzte Ergostunde

Irgendwie bin ich von meinem Aufenthalt in Alzey verwöhnt, was die Ergotherapie betrifft. In der Reha durfte ich unter dem Punkt „Leistungsprofil“ werkeln, malen war nicht erlaubt, die Arbeit mit Ton nicht möglich. Vor einem halben Jahr war der Ofen defekt, dieses Mal wurde Strom gespart. Außerdem waren das sechs Stunden (die vor einem halben Jahr wurden eingerechnet!), was mich richtig enttäuschte. Viel zu schnell fand demnach die letzte Stunde statt.

Mein zweites Ergoangebot war die „Ausdruckszentrierte Ergotherapie„, doch auch dies waren fünf Stunden. Bei mir, bei anderen maximal vier, da sie die ganze Masse an Einführungsveranstaltungen besuchen „durften“. Was bin ich froh, dass ich das nicht nochmal hatte! Ich fand die erste Woche, als ein Vortrag und eine Stunde Sitzen nach der anderen stattfand, total schrecklich.

Insgesamt war ich dieses Mal sechs Wochen in Bad Bergzabern, fünf Wochen + eine Woche Verlängerung, macht pro Woche nicht einmal zwei Stunden Ergo. Wenn ich das mit dem Sportangebot vergleiche…
Nun gut, dazu mehr unter meinen Erfahrungen zur Beruflichen Reha. Jetzt geht es erst einmal nur um meine letzte Ergostunde.

Die allerletzte Ergostunde

Diese Stunde war glücklicherweise bei einer anderen Therapeutin als bei der, die sich so wahnsinnig gerne selbst hört. Meiner Meinung nach diejenige, die in der Mitte liegt – die beste und sympathischste hatte ich nur ein einziges Mal (und halt das eine Mal vor einem halben Jahr).

Im Grunde war es das gleiche Thema wie beim Lebensgarten, nur sprach diese Therapeutin von einem Haus oder Gefüge oder wie auch immer. Also entschied ich mich erneut zu einer anderen Herangehensweise, wobei sich meine Lust in Grenzen hielt. Doppelte Themen sind nunmal doof, selbst wenn es die letzte Ergostunde ist.

Letzte Ergostunde: statt Lebensgarten eine Art Zusammenfassung von was war und was sein soll.

Ja, genau, da hält eine ein Schild hoch: „Habe Arbeit, brauche Geld.“ Über dem Kopf steht „nur noch schaffe, schaffe“, unter dem Schild die Worte „Stress“ sowie „Überlastung“. So ist es nunmal mit Arbeit + Studium.

Getrennt wid dieser Bildbereich von dem nächsten durch das quer in Großbuchstaben hingekritzelte Wort: „MÜÜÜÜDE!“

Der rechte Bildbereich ähnelt sehr stark dem vorherigen Bild: orangefarbener Weg, Drums, Buch, Laptop, Sehenswürdigkeiten. Nur eine im Schneidersitz hockende Figur mit einem großen Ommmmm darüber ist neu dazu gekommen. Außerdem verdeutlichte ich meine misslungene Zeichnung des Schlagzeuges mit „Mein Schlagzeug ist lauter als deins :-p“

Ja, wirklich nicht besonders einfallsreich, ich weiß.

Und was brachte mir diese letzte Ergostunde?

Diese brachte mir persönlich leider nicht viel. Ich fand es jedoch spannend, bei den anderen zu schauen, was sie aufs Blatt brachten. Die eine malte einen Garten und darin ihren Hund, total süß! Ein anderer Teilnehmer faltete das Blatt quer, um früher und ab jetzt klar zu trennen. Meine Sitznachbarin beschrieb ihre Lebensbereiche anhand eines Grundrisses, dessen Wände nun verschoben werden, damit einzelne Zimmer (Bereiche) mehr Platz finden. Auch ein interessanter Gedanke.

Ja, man kann dieses Thema sehr unterschiedlich angehen. Zwar brachte mir die letzte Stunde keine neuen Erkenntnisse, vermutlich weil ich erst vor kurzer Zeit dieses Thema hatte, aber gelangweilt habe ich mich bei der Vielfalt an Ansätzen nicht. Und das ist wiederum positiv.

Ausdruckszentrierte Ergo

Als ich vor einem halben Jahr den ersten Reha-Anlauf nahm, der „dank“ Corona abgebrochen wurde, wunderte ich mich über diese Ergoform. Ausdruckszentrierte Ergo, was sollte das sein? Was macht man da? Bei der Einführung klang es immer noch mysteriös, aber so interessant, dass ich daran teilnehmen wollte. Auch dieses Mal nehme ich daran teil.
Zwei Stunden mit dieser kreativen Ergomethode habe ich bereits hinter mir. Daher erzähle ich etwas von meiner Erfahrung.

Was ist die ausdruckszentrierte Methode?

„Den subjektbezogenen, ausdruckszentrierten Übungen liegen tiefenpsychologisch orientierte Konzepte zu Grunde.“ erklärt das pdf des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten. Mit Hilfe von Farben, Formen und Symbolen sollen Bilder entstehen, die besser als Worte die eigenen Gedanken und das eigene Empfinden zu einem Thema ausdrücken. Die Bilder sind sehr individuell und zeigen manches Mal auch, was einem selbst noch unklar oder nur vage bewusst war.

Jede Stunde gibt die Ergotherapeutin oder der Ergotherapeut ein Thema vor, danach malen alle in der Gruppe etwa 20 Minuten mit Buntstiften, Öl- oder Pastellkreiden auf DIN A3-Bögen das, was ihnen einfällt. Natürlich könnten es auch andere Farben sein usw. Nach der Malphase zeigen sich alle ihre Bilder.

Die eine Therapeutin ließ erst alle anderen mitteilen, was sie mit dem Bild assoziieren, danach die malende Person erzählen, wenn diese wollte.
Die andere Therapeutin ließ die Malenden erzählen und fragte sie, wo sie auf dem Bild wären. Wie es sich dort anfühle. Danach, wie es sich woanders anfühlen würde, wen die Position im Bild eine andere wäre. Sie fragte, was es nicht geben dürfe (Thema war der Wohlfühlort). Nachdem alle ihre Bilder vorgestellt hatten, wünschten wir uns noch gegenseitig etwas („gaben etwas“) aus unseren Bildern bzw. „nahmen“ auch etwas aus anderen Bildern in Gedanken.

Stunde 1 der ausdruckszentrierten Ergo

Das Thema der ersten Stunde war „Mein Lebensgarten“, wobei es um den Wunschlebensgarten ging. Was darf vom bisherigen Garten bleiben und was soll weg? Was darf hinzukommen? Wie soll der Lebensgarten aussehen?

Thema und Bild der ersten Stunde ausdruckszentrierte Reha: mein Lebensgarten

Die einzelnen Gärten sahen sehr unterschiedlich aus: Die einen Bilder zeigten Bäume, andere Blumen oder beides, manche hatten Wiesen, Seen, Weinreben, Häuschen… Manche Bilder waren voll, andere – so wie meines – sogar eher leer.

Da ich an einem Neuanfang stehe, will ich Platz lassen für Dinge, die kommen können. In Ruhe will ich mir einen Überblick verschaffen, gleichzeitig jedoch nicht komplett alles aus meinem Leben werfen. Dafür steht der Baum, der Jahre zum Wachsen benötigte. Das Wasser des Sees steht für das Fließen, für Gefühle, Frische, Entspannung und einfach auch mal auf der Wiese unterm Baum liegen und auf den See schauen. Also einen Halt oder Entspannungspunkt einbauen. Die Büsche im Hintergrund halten manch neugierigen Blick ab, und bitte auch Menschen und Dinge, die ich nicht mehr will.

Stunde 2 der ausdruckszentrierten Ergo

Dieses Mal lautete das Thema „Wohlfühlort“. Natürlich ging mir sofort mein Bett durch den Kopf… Wo fühle ich mich wohl? Wie sieht es dort aus? Was darf sein und was nicht?

Ausdruckszentrierte Ergo, Stunde 2: mein Wohlfühlort

Bett, Tischchen daneben, auf dem Laptop, Tasse und Bücher Platz finden, außerdem sogt sich ein freundlicher Roboter daraum, dass mir weder Tee noch Kaffee ausgehen, erledigt die Hausarbeit usw. Eine Katze dürfte noch da sein, ein Fenster (hab ich irgendwie vergessen), aber kein anderer Mensch. Also für mich klingt das absolut ideal.

Als ich die anderen Bilder sah, wurde mir bewusst, wie klein meine Welt ist oder geworden ist durch meine Depression und das Rückzugsbedürfnis. Natürlich konnten die anderen Teilnehmenden nachvollziehen, dass ein Bett ein absoluter Wohlfühlort ist, manche wollten auch gerne so einen Roboter, aber wohl kaum einer dieses Eingeschänkte. Ich ja dann auch nicht mehr… Ich klaue mir das Wohnmobil von dem anderen Teilnehmer und bringe mein Bett samt Roboter dort unter. Vielleicht kann der Roboter sogar fahren? 😉

Fazit (bis jetzt) zur ausdruckszentrierten Ergo

Es ist also sehr interessant, was die ausdruckszentrierte Ergo zutage fördert oder auch bewusst macht.

Früher wollte ich doch die Welt sehen, weshalb ist nun nur noch einigeln angesagt? Kann ich das kombinieren? So irgendwie mitteloffen-eingeigelt sein?
In meinem Garten wäre zumindest genügend Platz dafür. Ich muss selbst für die notwendige Ruhe und das Fließen sorgen. Mal schauen wie.

Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, was die nächsten Stunden verdeutlichen werden. Mich bringt die ausdruckszentrierte Ergo zum Nach- und Überdenken, was ich klasse finde.

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