Was wird in einer beruflichen Reha in einer psychosomatischen Klinik gemacht? Wie ist der Ablauf? Gibt es Unterschiede zu einer psychiatrischen Klinik? Und ist das hilfreich?

Nachdem ich einige allgemeine Fragen wie stationär oder teilstationär, zum Übergangsgeld, Hin- und Rückfahrt, Gepäckservice bei der Bahnfahrt sowie bei einer Unterbrechung kurz erklärt habe, geht es nun um meine Erfahrungen während der beruflichen Rehabilitation.

Meine in dieser Klinik, wohlgemerkt.

Das kann bei anderen Menschen und anderen Kliniken anders aussehen. Wenn Sie vor der Wahl stehen, welche Klinik Sie wählen sollen, dann hilft es Ihnen weiter, wenn Sie im Internet nach Bewertungen zu den jeweiligen Einrichtungen forschen.

Ich vermute, der Ablauf bzw. „das Programm“ selbst dürfte trotzdem ähnlich sein, da es vorgegebene Maßnahmenkataloge gibt, welche die Kliniken zu erfüllen haben. Die einzelnen Bezeichnungen können abweichen.
Hier können Sie sich das Rahmenkonzept von der Rentenversicherung ansehen.

Berufliche Reha: Therapie bei Depression

Einzeltherapie

Ich bin immer noch irritiert, als ich auf einer Homepage las, dass 3x pro Woche mindestens 210 Minuten angeboten werden sollen. Hm, was dazu alles zählen darf? Keine Ahnung. Ich liste mal auf, was mir alles einfällt, was ich hatte.

Die Einzelgespräche bei der Psychologin (Frauen waren in der Überzahl) fanden 1x pro Woche statt, Dauer: ca. 50 Minuten.

Schade hierbei ist es, dass anfangs wahnsinnig viel Zeit für die Formalitäten drauf geht. Dadurch blieb deutlich zu wenig für die eigentlichen Themen übrig. Ich hatte zwei Stunden der insgesamt sechs bei einer Vertretung, da „meine“ Therapeutin Urlaub hatte – die Vertretung war richtig gut, kann hier also nicht meckern. Wirklich schlecht lief es bei einigen anderen Patienten. Aufgrund von Urlaub oder Krankheit des Personals hatten sie ständig wechselnde Therapeuten und Therapeutinnen.

Gesprächsgruppe

Ob es nun „Gesprächsgruppe“ oder „Psychosomatische Basisgruppe“ genannt wird, das ist einerlei. 2x pro Woche fand diese Gruppe etwa eine Stunde statt.

Der Ablauf? Etwa zehn Patienten und eine Therapeutin / ein Therapeut sitzen im Kreis und besprechen zu Beginn der Stunde, welches Thema sie angehen. Das kann eine allgemeine Frage sein wie „Wenn ich mir ein Ziel setze, wie sollte es aufgebaut sein?“ (Ja, meist läuft’s auf die SMART-Formel heraus.) Auch konkretere Fragen können gestellt werden: „Sobald ich mit meinem Vorgesetzten spreche, verabschiedet sich mein Selbstbewusstsein in den Keller. Was kann ich tun?“ Sind alle einverstanden, dann ist das Thema der Stunde.

Positiv: Unsere Gruppe erfuhr lange nicht so viele Wechsel bei den Patienten oder Therapeutinnen wie andere Gruppen, dadurch fiel es auch den Zurückhaltenderen leichter, sich zu öffnen. Allgemein besser hätte ich es gefunden, wenn die gleichen Leute von Anfang bis zum Schluss in einer Gruppe geblieben wären. Statt dessen verabschiedeten immer wieder welche und Neue kamen. Trotz „beständiger“ Gruppe machte ich das Kennenlernprozedere drei oder vier mal mit, was immer locker die halbe Stunde fraß. Das geht wiederum von der Zeit ab, die für einzelne Themen zur Verfügung stand.

Mogelpackung „Depressionsbewältigungsgruppe“

Waren es zu viele Menschen? Weshalb wurde das so bezeichnet? Die korrekte Bezeichnung für die vier einstündige Vorträge wäre „Vortragsreihe Grundinformationen Depression“. Mehr gab es nicht.

Soweit ich weiß, gab es richtige Gruppen bei der „Tinnitusgruppe“ oder „Angstbewältigungsgruppe“ mit brauchbaren Tipps und Strategien. Weshalb wir mit so etwas Lauem und Stinklangweiligem abgespeist wurden, ich weiß es nicht. Und diese verfluchte Geschichte von Watzlawick mit dem Hammer kommt mir echt an den Ohren heraus. Die wurde alleine bei diesen vier Vorträgen 2x bemüht! Falls einer sie noch nicht kennt, da, hier gibt es sogar ein Video auf YouTube.

Ergotherapie in der beruflichen Reha

Werken

Bei mir nannte sich der eine Teil „Leistungsprofil„. Eine Stunde sollten wir ankreuzen, welche Fähigkeiten wir für unseren Job benötigen, und was eventuell noch wichtig ist. Danach hatten wir sechs Stunden, in denen wir etwas herstellen sollten. Zur Auwahl standen ein Klangspiel nach Anleitung aus einem Bausatz zusammenbauen, aus Holz etwas herzustellen (z. B. ein Vogelhäuschen), einen Korb flechten oder mit Speckstein arbeiten.

Etwas aus Ton formen ging weder vor einem halben Jahr (Ofen defekt) noch dieses Mal. Da es im Februar einen kleinen Brand in der Klinik gab, wurden Teile der Klinik per Verlägerungskabel mit Strom versorgt, andere Teile dagegen vom Netz getrennt. Der Ofen gehörte ebenso wie die vielgepriesene Sauna dazu. Die Sauna kenne ich nur vom Hörensagen, vor einem halben Jahr wurde sie wegen Corona nicht betrieben.
Seidenmalerei oder überhaupt etwas malen wurden ebenfalls gleich beim ersten Gespräch ausgeschlossen. Beim Malen müsse man weniger planen usw.

Andere hatten statt des Leistungsprofils „Freies Werken“, wobei hier auch malen gestattet war. Gerade weiß ich nicht, ob es noch weitere Bezeichnungen für im Grunde das Gleiche gab.

Der Hauptunterschied lag darin, dass das „Leistungsprofil“ nur 6x stattfand. Bei mir wurden die zwei Stunden vor einem halben Jahr hinzugerechnet, daher hatte ich es nur 4x. Gut, dass der Stein noch da war, mit dem ich begonnen hatte.

Malen

Lieber meditativ malen? Oder ausdruckszentriert? Oder… ich habe die Bezeichnung vergessen.

Es standen drei Richtungen zur Auswahl:

  • Bei der einen malten die Patientinnen und Patienten Mandalas, wobei sie mit dem Pinsel und Abdrücke diese selbst erstellten. Also nicht ausmalen, so wie es die meisten vermutlich kennen.
  • Über die ausdruckszentrierte Ergotherapie schrieb ich im Blog. Die Ergotherapeutin stellt das Thema vor, dann malen die Teilnehmenden Gefühle, Bilder, alles was hochplöppt in etwa 15 Minuten.
  • Für all die Kontrollfreaks dürfte diese letzte Option eine Herausforderung sein: Zu meditativer Musik dürfen Farben über das Papier fließen. Wie nass oder trocken das Papier ist wie flüssig die Farbe oder welcher Farbton, das ist beeinflussbar. Doch nicht wirklich das Ergebnis… Loslassen lernen, so lautet hier die Devise.

Berufliche Reha – Erfahrungen Berufliche und Sozialberatung

Diesen Teil fasse ich zusammen, da es von den gleichen Personen veranstaltet wurde und irgendwo ja zusammenhängt.

Sozialberatung

Die Sozialberatung umfasste zwei Vorträge, die in zwei Teile unterteilt waren, und maximal 1,5 Stunden dauerten. Wir erhielten Informationen rund um den Grad der Behinderung, Krankengeld und Übergangsgeld, (Teil-) Erwerbsminderungsrente, Renteneintrittsalter und Abschläge usw. Ebenso wurde die Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt angesprchen und darauf hingewiesen, dass wir gerne eine Einzelberatung bekommen, wenn wir Fragen haben oder wir noch etwas beantragen müssen / wollen. Ein weiteres wichtiges Thema war die Rehanachsorge in Form der Psy-RENA.

Die Vorträge fand ich hilfreich und wichtig, wenn auch den letzten Teil von wegen Rente in meinem Fall eher missmutfördernd. Ich war einfach zu lange Freiberufler…

Berufliche Beratung: „Konflikte am Arbeitsplatz“

Tja, und das? Ich weiß nicht. Drei Termine, Gruppe, aber so wirklich in die Tiefe ging das nicht. Es ist zwar nett, die Definition von Konflikt zu erhalten, oder mal zu schauen, welche Konflikte es alles gibt, aber so eine wirkliche Hilfe war das nicht. Letztendlich lautete der Haupttipp, salopp ausgedrückt: „Wenn es nicht passt und freundliches Ansprechen nichts nützt, ändere etwas bei dir selbst. Ändere deine Sichtweise, deine Einstellung, bilde dich weiter oder was auch immer. Und wenn gar nichts geht, dann kündige.“ Dafür brauche ich kein „Seminar“…

Wie die anderen beiden Gruppen, die arbeitsplatz“spezifische“ Themen hatten, abliefen, weiß ich nicht. Vermutlich ähnlich – lauwarm, nicht wirklich erwähnenswert, aber auch kein echtes Ärgernis wie die angebliche „Depressionsbewältigungsgruppe“.

Entspannung und Achtsamkeit

Jacobson, Autogenes Training, Feldenkrais

„Entspannungsverfahren nach Jacobson“, besser bekannt unter dem Namen „Progressive Muskelentspannung“ oder „Progressive Muskelrelaxation“ – oder doch besser Autogenes Training? Letzteres kannte ich bereits in seiner „Grundform“ (Ruhe, Schwere, Wärme fühlen etc.) durch einige CDs mit Fantasiereisen und hatte es auch in Alzey. Bei der Vorstellung in Bad Bergzabern schläferte es mich jedoch fast augenblicklich ein, also entschied ich mich für Jacobson. Vorm Zubettgehen spanne ich öfter einzelne Muskelgruppen an und entspanne sie, damit ich schneller einschlafe. Jaaaa… Und das war dann auch mein Problem: Wer schreibt sowas um 7:05 Uhr morgens in den Plan? Hallooooo??? Erst aus dem Bett quälen und dann entspannen und den Blutdruck in den Keller sinken lassen?
Außerdem war es immer der gleiche Text und irgendwann knurrte ich den innerlich bereits mit. Nein, meine Muskeln spanne ich gerne weiterhin an, so wie es mir gefällt, aber mit Jacobson stehe ich nun auf Kriegsfuß.

Wie das Autogene Training schreckte mich bereits bei der Vorstellung die Feldenkrais-Methode ab. Die kam mir sogar eher wie esoterisches Geschwätz vor, was jedoch auch an dem Vortragendem gelegen haben kann.

Besser gefielen mir die nächsten Bewegungsarten.

Yoga, Qi Gong

Yoga lernte ich zwar schon mal ein wenig kennen, aber sehr ulkig ist es trotzdem, wenn einem ein ganzer Zoo genannt wird. Naja, machte ich mal mit, auch wenn ich keine Ahnung hatte. Ich brauchte nur immer jemand zum Linsen. Die geschmeidigen Bewegungen, die mich eher an Tanz erinnern, sind ganz nach meinem Geschmack.
Ja, hier hat die Reha etwas Gutes gebracht: Ich habe festgestellt, dass meine Krankenkasse einen Yoga-Onlinekurs bezahlt und da habe ich mich nun angemeldet.

Genauso schenkte mir die Reha Qi Gong. Wir wiederholten immer wieder die „Kleine Harmonie“. An drei Stellen ein ganz klein wenig anders, aber so sah es insgesamt aus. Wir lernten zwei „Wasserwellen (eine kleine Welle, dann die große), zentrierten uns ganz kurz nach der Umarmung des Baumstammes, legten die Hände ganz, ganz kurz auf den Bauch bevor es zur nächsten Bewegung ging und beschrieben erst den Erdball, danach dieses „Erde, auf der wir stehen“.

Ich werde mich noch mehr mit Qi Gong befassen, das ebenfalls fließend wie ein Tanz auf mich wirkt. Gefällt mir. 🙂

Mehr Sport und Bewegung

Nun sind wir beim restlichen Bewegungsprogramm angekommen. Walking = wer Stöckchen hat, darf die benutzen, aber ohne geht’s auch. Für mich war das einfach spazieren gehen. Aber „Walking“ klingt natürlich viiiiel moderner… Htten wir 2x pro Woche.

Gerätetraining fand im Geräteraum statt (oh, Wunder). Rudern, Fahrrad fahren, an Gewichten zerren usw. Gab’s ebenfalls 2x pro Woche für eine Stunde.

Funktionsgymnastik war ein abwechslungsreiches Prrogramm, jedes Mal etwas anderes. Mal Step-Aerobic (näh, nicht meins), mal Zirkeltraining (okay), Spiele / Training mit Bällen (meist lustig), die Pezzi-Ball-Aerobic machte unglaublich viel Spaß. 2x pro Woche für eine Stunde sich austoben und schweißüberströmt den Raum verlassen, ohne sich müde und erschöpft spüren. Ja, das haben sie gut gemacht, die beiden Sporttherapeutinnen.

Was gab’s noch?

Tanzen, wer wollte. Stretch & Relax (das fand ich entspannend), Koordination und Konzentration… Natürlich gab es auch für diejenigen, die es wünschten und benötigten, eine Rückenschule, Physiotherapie usw.

Im Grunde kennen mich die beiden Sporttherapeutinnen von all den Angestellten der Klinik am besten. Die beiden Bilder oben zeichnete ich für beide als kleines Dankeschön.

Ich habe nicht erwartet, dass ich an den meisten Tagen meiner beruflichen Reha in einer psychosomatischen Klinik mehrere Stunden Bewegung haben würde, während der therapeutische Teil so kurz kam. Und somit kommen wir auch zu meinen Hauptkritikpunkten.

Berufliche Reha – meine Erfahrungen und mein Fazit

Die Reha wurde für die Klinik, für die Krankenkasse und für die Rentenversicherung erfolgreich abgeschlossen, denn ich wurde voll arbeits- und erwerbsfähig entlassen. Was ich daran seltsam finde: Das Urteil stand gleich zu Beginn fest. Eines der Argumente: Wer arbeiten geht und nebenher relativ zügig studiert, bei dem braucht man sich nicht zu wundern, wenn er / sie dann fertig ist. Dafür braucht’s keine psychische Erkrankung.

Auch seltsam: Die Rede war vom Team, das so entschieden habe.
Etwa auch die Oberärztin, die ich nur maximal 10 Minuten sprach? Oder vielmehr: Sie zu mir. Erst über meine Colitis Ulcerosa. Als ich sie darauf hinwies, dass ich wegen meiner Depression da bin, schien sie nicht sonderlich zufrieden über diesen Einwand zu sein. Ich musste die Hand darauf geben, mich nicht während der Reha umzubringen oder auch nur den Versuch zu unternehmen. Ansonsten… Habe ich das Gespräch nur so im Kopf, dass ich mich danach fühlte, als ob ich dumm und faul wäre.

Was mich ebenso stört: Anfangs sollte ich meine Rehaziele notieren. Wofür das denn? Darauf wurde selbst beim Abschlussgespräch nicht mehr eingegangen, vermutlich weil an diesen gar nicht oder kaum gearbeitet wurde. Wann denn auch? Wo denn auch? Ach, dafür war ich da? Kann doch nicht sein…

Meine Rehaziele waren diese:

  • (neue?) berufliche Richtung finden
  • besserer Umgang mit meiner Depression / mit Suizidgedanken
  • Stärkung des Selbstwertgefühls

Vielleicht waren meine Erwartungen auch zu hoch…?

Nun bin ich nur noch gespannt auf den ausführlichen Bericht. (Anmerkung: kam, hier der Blogartikel dazu.) Im Kurzbericht steht unter Diagnosen:

  • Dysthymia (F34.1)
  • Rezidiv. depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, teilremittiert (F33.1)
  • Colitis Ulcerosa, nicht näher bezeichnet (K51.9)

Befund, Zustand bei Entlassung: Leichte Stabilisierung

Ich glaube, meine ehemalige Therapeutin würde dazu nur eines sagen, so wie beim letzten Mal: „Was haben die denn überhaupt gemacht? Sie kommen ja so zurück wie wir Sie hingeschickt haben!“