Heute hörte ich mal wieder, dass etwas „psychisch bedingt“ wäre, das ich als „nicht von der Psyche verursacht“ einstufte. Ich schätzte es höchstens als „kann die Psyche beeinflussen oder von ihr verstärkt werden“ ein.
Aber was stimmt denn nun? Besitzen zum Beispiel Allergien oder Krankheiten wie Erkältungen oder gar Krebs psychische Ursachen?
„Allergien sind psychisch bedingt“
Zumindest meinte mein Gesprächsnachbar beim Mittagstisch das. Das fand ich widerum sehr seltsam, denn dann dürfte es doch einige Allergien gar nicht geben. Genauso ist es dann unverständlich, wie jemand auf etwas allergisch reagieren kann, wenn er/sie sich in diesem Moment sehr gut fühlt.
Ein Beispiel: Als Kind spielte ich wahnsinnig gerne mit Schnecken. Ich fand Schnecken klasse, die mich aber bestimmt nicht. Zumindest wenn ich mir vorstelle, dass mich ein Mädchen einfach so mal am Haus hochhebt und ganz woanders hin verfrachtet, stelle ich mir das als Horror vor. So weit dachte ich als Kind jedoch nicht. Und auf die Frage meiner Mutter, ob ich wieder mit Schnecken gespielt habe, antwortete ich meist „nein“. Leider verriet mich immer der Ausschlag an den Händen, den der Schleim der Schnecken verursachte. Dumm gelaufen. War aber kein Grund, nicht auch beim nächsten Schneckenrennen mitzumachen…
Mir ging es gut – weshalb sollte ich also, folge ich der Theorie der psychisch bedingten Allergien, darauf eine Hautreaktion zeigen?
Auf der Homepage my allergy erklärt Frau Dr. med. Winiarski dazu Folgendes:
„Allergien sind keine psychischen Erkrankungen. Sie entstehen vor allem durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems.“
Wobei darauf hingewiesen wird, dass es auch Betroffene gibt, die bei der Vorstellung bereits mit Symptomen ihrer Allergie reagieren. Die Psyche bzw. Stress können natürlich einen Allergieschub beschleunigen oder verstärken.
Auch im Artikel des Stern wird auf den Zusammenhang zwischen Stress und Allergien hingewiesen, jedoch hervorgehoben, dass es weder eine Allergie-Persönlichkeit noch grundsätzlich einen seelischen Hintergrund gibt. Die Psyche kann den Verlauf verschlimmern oder abmildern.
Allergien sind also nicht psychisch bedingt.
Hat Krebs psychische Ursachen?
Das Deutsche Krebsforschungszentrum stellte über 2000 Menschen Fragen zu ihren Überzeugungen zum Thema Krebs.
Fast dreiviertel der Befragten lehnten die Vorstellung ab, dass es eine „Krebspersönlichkeit“ gibt, so wie es früher vermutet wurde. Immerhin. Leider zeigten sich die Leute weniger aufgeklärt, was die Ursache betrifft: 61% waren überzeugt, dass Krebs durch seelische Probleme und Stress verursacht würde. Dafür gibt es jedoch keine wissenschaftliche Belege, also falsch.
Und mit erschlagender Mehrheit waren die Befragten überzeugt, dass eine kämpferische Grundhaltung die Überlebenschancen verbessern würde.
Stimmt aber auch nicht. Jeder muss für sich herausfinden, was beim Kampf gegen den Krebs unterstützt. Funktioniert „good vibes only“ nicht und geht sogar nach hinten los (so wie bei Depressionen), darf ruhig geheult werden.
Dieser Zwang zur Heiterkeit ist ohnehin meiner Meinung nach eher schädlich. Reicht denn nicht bereits die Krankheit? Müssen dazu noch Schuldgefühle kommen, weil keine Sonnenstrahlen aus dem A*** schießen?
Krebs ist nicht psychisch bedingt. Der Patient ist also nicht selbst schuld!
Erkältungen, Herpes, Gürtelrose… psychisch bedingt?
Diese drei Erkrankungen tauchen, zumindest in meinem Umfeld, am häufigsten als „psychisch bedingte“ Krankheiten auf.
Trifft das hier zu oder ebenfalls nicht?
Dr. Tamara Wald geht auf der Homepage Fernarzt einigen Mythen nach. Herpes (Herpes simplex) und Gürtelrose (Herpes zoster) lauern im Körper nach einer Infektion. Während Herpes immer wieder auftreten kann, kommt eine Gürtelrose nur zu Besuch, wenn bereits vorher eine Windpockenerkrankung vorlag und dann in seltenen Fällen später nochmals. Gut nachzulesen auf guertelrose-infektion.de.
Anhaltender Stress bzw. anhaltende psychische Probleme können das Immunsystem schwächen. Das begünstigt einen Ausbruch der bereits im Körper lauernden Viren.
Ein geschwächtes Immunsystem ist gleichzeitig eine Einladung für alle Virenerkrankungen, die es gerade im Umfeld gibt. Daher kann es schon passieren, dass auch eine Erkältung sich nicht lange bitten lässt.
Eines sicher: Die Psyche ist nicht der Verursacher der Erkrankungen, ein geschwächtes Immunsystem aber schon. Letzteres hat aber nicht immer psychische Ursachen – manche Medikamente oder eine gerade überstandene Erkrankung können ebenfalls die Ursache sein.
Fazit
Hobbypsychologie, untermauert durch „Erfahrungen“, Glauben und Überzeugungen, ersetzt keine wissenschaftlichen Belege und eine(n) ordentliche(n) Arzt oder Ärztin.
(Zum Glück, sonst wäre die Sterblichkeit bei depressiv Erkrankten eher bei 100%…)