Gerade für alle, die eine Depression für eine eingebildete Krankheit halten, dürfte diese Tatsache irritierend sein: Die Depression kann als Behinderung gelten. Es gibt einen Grad der Behinderung (GdB) auch bei psychischen Erkrankungen.
Der Grad der Behinderung wird in 10er-Schritten angegeben, wobei erst ab 20 eine Behinderung vorliegt. Es sind keine Prozentzahlen, Grad ist die Einheit. Ab 30 Grad kann ein Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellung beantragen, was bedeutet, dass er arbeitstechnisch in vielem einem Schwerbehinderten gleichgestellt wird. Die Schwerbehinderung beginnt ab 50. Schwerbehindert bedeutet jedoch nicht, dass man auf den Parkplätzen gehbehinderter Personen parken darf. Dafür benötigt man die entsprechenden Merkmale auf dem Schwerbehindertenausweis.
Ob eine Behinderung vorliegt und wie hoch der Grad der Behinderung ist, entscheidet das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Die Seiten des LSJV von Rheinland-Pfalz findet man hier: Landesamt RlP
Einen Antrag können Sie über diese Seiten auch online stellen.
Wieviel Grad der Behinderung gibt es bei Depressionen?
Die Tabelle mit den Einteilungen findest du auf Gesetze im Internet. Hier im Teil B unter dem Punkt 3, Nervensystem und Psyche. Im ersten Moment habe ich es überlesen, da ich nach dem Stichwort „Depression“ Ausschau hielt. Die Depression, bipolare Störung etc. werden jedoch unter „Affektive Psychose“ behandelt. Das Landesamt ist zurückhaltend, was die Einstufung als Behinderung angeht, denn es könnte sich ja auch bei einer Depression um eine einmalige Episode handeln. Ist es jedoch nicht die erste, dann gibt es auch keine „Heilungsbewährung“ von zwei Jahren.
Die Einteilung startet bei 30 Grad, kann jedoch, je nach Schwere und Häufigkeit, bis auf 100 Grad ansteigen.
Berechnung des Grades der Behinderung
Als ich den Antrag stellte, lagen bei mir die folgenden Erkrankungen vor: schwere depressive Episode, Dysthymie und Colitis Ulcerosa (chronische Darmerkrankung). Selbstverständlich benötigt das Landesamt ärztliche Nachweise darüber. Die Colitis Ulcerosa wurde mit 20 Grad eingestuft, die depressive Störung mit 40.
Nun gilt nicht 20+40=60. Der höhere Grad ist der Grad an Behinderung, der dann festgestellt wird. In meinem Fall also 40.
Sollte sich irgendwann etwas ändern und zum Beispiel eine Verschlechterung eintreten, dann kann ein Verschlimmerungsantrag gestellt werden. Auch hier gilt: Belege! Am besten lasse dir alle ärztlichen Gutachten geben, die du gleich beim Antrag dazulegen kannst.
Hilfe bei der Antragstellung
Es gibt verschiedene Sozialverbände, die ihren Mitgliedern beim Stellen von Anträgen helfen und sie auch in vielen weiteren Punkten beraten. Einer der Sozialverbände ist der VdK, der ebenfalls auf seinen Seiten über den Grad der Behinderung informiert. Ein weiterer der Sozialverband Deutschland.
Es gibt noch weitere. Am besten einfach mal schauen, wer vielleicht sogar vor Ort ist, vor allem, wenn du persönlichen Kontakt wünschst.
Bist du gerade in einer Tagesklinik, Klinik, einer psychiatrischen Institutsambulanz oder allgemein irgendwo in Betreuung, kannst du auch dort nachfragen, wenn dort nicht bereits jemand auf dich zugekommen ist.
Der Grad der Behinderung und die Vorurteile
So war es bei mir. Meine Sozialarbeiterin der DRK PIA in Bad Kreuznach sprach mich an, ob ich bereits einen Antrag gestellt habe. Zunächst war ich irritiert, weil ich mich ja nicht als behindert empfand. Und genau da bin ich auf die allgemeinen Vorurteilen und Fehleinschätzungen wieder einmal hereingefallen – für mich war das entweder körperlich oder eine geistige „Störung“ wie z. B. Autismus. Depression? Nöööööö… Wenn schon, dann nur die Colitis Ulcerosa. Oder?
Wenn ich mir mein Leben und mein Denken betrachte, dann ist die Depression für mich eine viel stärkere Beeinträchtigung als die Colitis Ulcerosa. Die 20 Grad gegenüber den 40 bei der Dysthymie sind also angebracht.
Ist es nicht seltsam, dass sogar ich selbst mal wieder meine psychische Erkrankung und die damit verbundenen Folgen kleiner machte?
Insofern verstehe ich es, wenn nun ein Leser oder eine Leserin den Kopf schüttelt, dass es für sowas auch einen GdB gibt.
Was bringt ein GdB von weniger als 50?
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist es ab einem GdB von 30 möglich, einen Gleichstellungsantrag zu stellen. Hier ist ein Ratgeber auf der Homepage vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Gleichstellung bringt einen besseren Kündigungsschutz mit sich, Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber etc., jedoch nicht alles, was ein schwerbehinderter Mensch erhält. Rentenalter und Urlaub bleiben gleich.
Es gibt ab einem GdB von 20 außerdem Steuerfreibeträge. Die Lebenshilfe hat sie sehr schön in einer Tabelle aufgelistet. Nehme ich also meinen GdB von 40, dann ist die Höhe meines Behinderten-Pauschbetrags 860 Euro.
Nachteile des GdBs
Natürlich kann es auch Nachteile haben, die sehe ich jedoch mehr auf Seiten der Arbeitgeber.
Erfährt ein Arbeitgeber vom GdB und der damit verbundenen Einschränkung, könnten all die Vorurteile gegen den Bewerber verwendet werden. Bei einer Depression sind das solche wie „nicht belastbar“, „faul“, „will sich nur drücken“ oder auch „fehlt garantiert oft“.
So unfair es ist, von einer Erkrankung auf die Person zu schließen, viele machen das leider so.
Der Arbeitgeber könnte beim Antrag auf Gleichstellung erfahren, dass du dadurch einen besonderen Kündigungsschutz erhälst oder Unterstützung durch einen Integrationshelfer. Das mag nicht jeder, vor allem diejenigen, die Arbeitnehmer nur als Kostenfaktor ansehen.
Der Lohnzuschuss bei der Gleichstellung kann auf manche Arbeitgeber wirken wie die Lohnkostenzuschüsse der Jobcenter z. B. bei Langzeitarbeitslosen. Diese Arbeitgeber stellen ein – und sobald der Zuschuss versiegt, suchen sie sich einen anderen Arbeitnehmer. Oder einen, bei dem mehr zu holen ist.
Bei qualifizierten Krräften mit Berufserfahrung sehe ich solche Zuschüsse ohnehin als unberechtigt an. Wofür gibt es denn die Probezeit? Und was ist mit dem angeblichen Fachkräftemangel?
Aber das ist meine Meinung.